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Der Saalbacher Skiklau-Krimi

Der Horror eines jeden Skifahrers. Die Ski sind weg. Geklaut. Geliehen. Vertauscht. Weg bleibt weg. Ist mir passiert. Kürzlich im Skicircus Saalbach Hinterglemm Leogang Fieberbrunn. Das Fazit: ein versauter Skitag – und ein Happy End, mit dem nicht mehr zu rechnen war.

Ist dieser Rundblick nicht herrlich? Nur blöd, wenn dir hinten einer die Ski wegnimmt...Der Bericht über jenen Skitag, den sich vermutlich Liftmitfahrer noch in den kommenden Jahrzehnten von mir werden anhören müssen, beginnt eigentlich ganz malerisch. Die Sonne zeigt sich nach zwei Schnee- und Wolkentagen. Sanfte Minusgrade, bestens präparierte Pisten. Wir steigen in Fieberbrunn ein, bestaunen die imposante Bergbahn, fahren zweimal ab und zweimal auf, ehe uns der Guide am höchsten Punkt des Gebiets auf 2020 m über Normalnull das Kommando gibt: „Wildspitze wie aus dem Bilderbuch – hier könnt ihr ein schönes Foto machen“. Also schlüpfen wir aus den Skiern, werfen uns in Pose und fotografieren zweimal nach vorne, zweimal nach hinten (Selfie). Eine japanische oder chinesische Reisegruppe hätt’s net besser hingekriegt – nach drei Minuten stehen wir wieder auf den Skiern. Naja, alle bis auf einen. Meine Skier sind nämlich – WEG.

Da steh ich also vor meinen nicht mehr vorhandenen Skiern und bleibe zunächst noch ruhig. Schaue um mich, ob net vielleicht die zwei Spaßvögel aus unserer Gruppe sich einen Scherz erlauben. Keine Auffälligkeiten. Langsam wird mir mulmig. Ich stakse umeinand mit den Skischuhen. Meine schönen, fast nagelneuen Völkl Racetiger sind weg. Mal den Liftwart drüben am Sessellift fragen. Nee, Ski kommen hier nicht weg, noch nie habe er davon gehört. Aber runter komm ich mit dem Hochhörndllift auch nicht: „I darf di nur aufwärts mitnehmen und nur mit Ski“. Ich solle halt nochmal gucken und notfalls bringe seine Ablösung in ein paar Stunden ein Paar Ski zum Abfahren mit. Hört sich ja schon mal recht vielversprechend an.

Tausche Atomic Vintage AM gegen Völkl Racetiger - die Bindung ist schnell umgebaut, die Kanten sind aber so gut wie ohne Schliff. Also nochmal gucken. Es herrscht emsiges Kommen und Gehen am Aussichtspunkt. Liegen bleiben: ein Paar Leihski und ein uraltes Paar Ski in lila. Ich zähle 1 und 1 zusammen und mein Orakel ist düster. Da hat sich vermutlich jemand seine Ski flugs erneuert und meine gegen seine getauscht. Fast falle ich dem älteren Herren um den Hals, als der nach seiner Frühstückspause in der Sonne wiederkommt und in die lilafarbenen Ski schlüpft. Nochmal Glück gehabt. Die Leihski bleiben übrig. Ein Pickerl samt Nummer ist drauf von einem Skiverleih aus Saalbach. Ich werde geholfen. Der Mitarbeiter nennt mir den Namen des Entleihers, hat aber leider kein Handynummer des Herren. James G., so heißt der Mann, logiere aber in einem der Saalbacher Hotels, ich könne dort ja mal anrufen.

Gesagt, getan. Die Rezeptionistin wimmelt mich ab, meine Bitte, dem James G. einen Zettel aufs Zimmer zu legen mit dem Anliegen, mich zurückzurufen, wird nach einigem Nölen positiv beschieden. Leider hat sie aber vergessen, sich den Namen aufzuschreiben und muss nochmal nachfragen. Nicht sehr erfolgversprechend.

Inzwischen bauen wir flugs die Bindung um, den Umgang bin einer Verleihbindung hab ich vom Schwiegerpapa gelernt und das nötige Werkzeug ist auch schnell organisiert. Der Ski wird schon so schlecht nicht sein und jetzt mach ich nach dem ersten Schreck einfach das beste aus diesem sonnigen Skitag.

Gesagt, nicht getan. 🙁 Der Ski hat so gut wie keine Kanten und fährt sich absolut lapprig. Wie kann ein Verleih nur so einen Ski rausgeben? Hat man sich gedacht: Fürn Engländer wird’s reichen? Kann er wenigstens mit den Kanten keinen Schaden anrichten? Zudem ist der Ski zehn Zentimeter länger als mein geliebter Racetiger – und auch die Stöcke sind zehn Zentimeter größer. Wie kann der gute James das nur nicht bemerkt haben?

Der Tag geht ins Land, pannenfrei gottseidank. Und nach der Dusche mache ich mich daran, die Rezeption des Hotels zu nerven. Nein, James sei noch nicht da, sagt man mir auf meine mehrfache Nachfrage. Ich sehe mein Abendessen, das um halb acht beginnt, in unerreichbare Ferne rücken. Denn die Krux an dem Skitausch ist: Von Fieberbrunn nach Saalbach braucht man per Ski und dank der neuen „TirolS-Bahn“ (Tirol-Salzburg) nicht einmal eine Stunde – mit dem Auto aber „außenrum“ fast eineinhalb Stunden, noch dazu bei dichtem Nebel und glatten Straßen wie heute. Den Chef von Taxi Toni (die legendäre Werbung auf seinen Fahrzeugen lautet tatsächlich „Bist du müde oder voll, ruf den Anton aus Tirol“) hab ich bei der Heimfahrt aus Fieberbrunn ausgiebig befragt: 150 EUR würde es etwa kosten, wenn ich die Ski von einem Fahrer holen lasse – vorausgesetzt, die Ski sind überhaupt da…

Das Telefon klingelt. Die Rezeption. James wird mir gereicht. „What the fuck“ ich mir einbilde, ihm die Ski an der Gondel zu klauen und ihm dann auch noch zu unterstellen, er habe sie geklaut. Hmmmm, das scheint tricky zu werden… Als ich James nach einer längeren, sehr fruchtlosen Diskussion schließlich mit der Polizei drohe, sagt der mir, dass meine Ski beim Skiverleih liegen und er eine Skiversicherung abgeschlossen habe, ihn die Chose also nichts mehr anginge. Anruf beim Skiverleih. 13 nach 18 Uhr, es geht keiner hin. Nach dem 30. Klingeln eine Stimme. Es ist doch noch jemand da. Ja, er habe einen Racetiger herumstehen, ja, das sei ein Versicherungsfall. Nein, er könne mir den nicht geben, weil er jetzt zumache. Ich flehe ihn an, er möge den Ski bittebittebittebitte an der Rezeption in James Hotel hinterlegen, wo ich ihn abholen würde und ihm im Gegenzug seinen Ski hinterlass. Er verspricht’s mir. Von der Hoffnung auf einen Ersatz für die Fahrtkosten für 170 km und den Skipass habe ich mich längst verabschiedet.

Mein Dilemma als Grafik... 1h mit Ski, 1,5 h mit dem Auto außenrum. Ich bin also entsprechend äußerst mieser Laune, als ich mich mit Tempo 55 über die Landstraße quäle. Hochfilzen und Leogang, Saalfelden. Als schließlich das Telefon klingelt, nimmt der Tag doch noch eine überraschende Wendung. Englische Vorwahl. James meldet sich und beginnt mit „I do apologize“. Er habe jetzt des Rätsels Lösung. Nicht ich habe ihm die Ski weggenommen, sondern er mir, weil er nämlich dachte, der „Change“ wäre an der „Gondola“ und nicht am „Fotopoint“ passiert. Er plädiert also auf schuldig im Sinne meiner Anklage und sagt Sorry. Wie er mir denn jetzt zu meinen Skiern verhelfen könne? Bin schon auf dem Weg, sag ich, die Ski stehen bei dir in der Rezeption und ich hol sie gleich ab. Er müsse zwar jetzt zum Abendessen, aber er hinterlege mir einen „envelope with a great sorry“.

Hab sie wieder!!! Siegerbild vor dem Schwips ClubIch fahre ein nach Saalbach. Taxi Toni hat mich vorgewarnt. Alles Fußgängerzone, nirgends kommt man gscheit hin. Wenn selbst der Taxi Toni… Naja, nach einem Abstecher in den verkehrsberuhigten Bereich und einigen Kopfschüttlern stehe ich endlich vor dem Hotel und staune zunächst über die doch recht plüschige Einrichtung, dann staune ich über den Umschlag, in den James, my new friend from England, mir doch tatsächlich eine Handvoll Fuffis gesteckt hat – und als ich für die Kumpels beim Abendessen vor der Haustüre ein Selfie mit dem wiedereroberten Racetiger mache, stelle ich fest, dass die zweite der beiden Türen doch tatsächlich geradewegs in den Schwips Club, einer Bar mit – sagen wir mal – „Herrenprogramm“ führt.

Fazit: Happy End nach einem aufregenden Tag. Der Engländer hat die Ehre seines Landes gerettet und seinen Fehler eingestanden. Und ich hab meine Ski wieder!!! 🙂

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Thilo Kreier
Thilo Kreier (43), Journalist und Outdoor-Freund. Ist gerne und viel mit seiner Familie in der Natur unterwegs.

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